Zur Geschichte der Alten Brennerei bis 2003 – von Herbert Kleinau (2003)
Das Thema der Erhaltung, Sanierung und Nutzbarmachung des alten Baues der Niemberger Brennerei steht nach langer Zeit wieder einmal auf dem Plan einiger beherzter Niemberger Bürger. Schon in den ersten Jahren nach der politischen Wende 1990 hatte man im Gemeinderat und in der Gemeindevertretung Vorstellungen wie die Brennerei genutzt werden könnte. So gab es mehrere Varianten. Nur zwei sollen hier genannt werden. Zum einen sollte die Brennerei als öffentliches Gebäude, das heißt als Gemeindehaus ausgebaut werden. Es sollten hier unter anderem das Gemeindebüro und Vereine einziehen. Eine andere Idee war, hieraus eine Art Gasthaus mit Saal, Vereinsräumen und Übernachtungsmöglichkeiten entstehen zu lassen. In den Köpfen der Niemberger Gemeindevertreter gab es jede Menge mehr Vorstellungen. Nur, keiner wusste wie es angepackt wird und vor allem wer es finanzieren soll. In den Wirren der Wende war sicherlich auch die Zeit noch nicht reif, sich an solche Projekte heranzuwagen. In Niemberg gab es wichtigere Dinge als sich ein Gemeindehaus zu leisten oder ein großes Gasthaus zu bauen, das dann kaum besucht wird. Also blieb das Vorhaben „Nutzung alte Brennerei“ unangetastet liegen. Wurde für den alten Bau und für seine Erhaltung so viele Jahre nichts getan, so kam es auf ein paar Jahre des Dahindämmerns nicht an.
Was ist bekannt ?
Leider ist heute nur noch wenig über die Geschichte des Baues zu erfahren. Meinen vorläufigen Ermittlungen nach, ist die Brennerei in der frühen zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Brennerei gebaut worden. Sie gehörte dem Rittergut; damals das kleinere Rittergut genannt. Das genaue Jahr der Erbauung könnte aus dem Grundbuch des Rittergutes von Niemberg ermittelt werden. Eine Einsichtnahme ist aber nur dem jeweiligen Eigentümer gestattet. Gebaut wurde die Brennerei vorwiegend aus dem rings um Niemberg vorkommenden Quarzporphyr. In der damaligen Zeit waren einige Niemberger Steinbrüche, mit mehr als einhundert Arbeitern, in Betrieb.Der Schornstein war zum Teil kunstvoll mit Klinkern gemauert und stand südöstlich des Gebäudes. Er wurde meines Wissens in den 1950er Jahren abgebrochen.
In der Mitte des 19.Jahrhunderts war ein Amtsrat Wagner der Besitzer des Niemberger Rittergutes. Dieser Tatsache nach war Wagner eventuell auch der Erbauer der Brennerei. Allerdings könnte auch der noch frühere Besitzer, Foedor von Landwüst, die Brennerei gebaut haben. Wenn das Jahr der Erbauung bekannt ist, wird diese Frage gelöst sein. Aus dem Besitzer Wagner wurde, meinen Unterlagen nach, um 1880, eine Erbengemeinschaft der Geschwister Wagner aus Warmsdorf. Warmsdorf ist ein Ortsteil von Amesdorf bei Güsten und Bernburg. Die Geschwister hatten aber das Rittergut an einen Herrn Weste verpachtet. Das Rittergut Niemberg umfasste damals genau 919 Morgen Acker. Davon waren etwa ein Drittel sehr guter Boden. Fast alle Ackerflächen grenzten an die Hohenthurmer Flur. So gehörten dem Rittergut unter anderem das gesamte Wörmchen (links der Hohenthurmer Straße). Auch die Äcker rechts der Hohenthurmer Straße bis zur Remise (kleines Schutzgehölz Richtung Braschwitz, jetzt verschwunden) gehörten dazu.
Max I. Graf von Wuthenau-Hohenthurm (1834-1912) hatte ein Interesse am Kauf des Niemberger Rittergutes. Er wollte verschiedene kleinere Güter mit schlechten Böden, die weitab in Richtung Delitzsch lagen verkaufen und die Niemberger Felder in die benachbarten Hohenthurmer Fluren einbinden.
Im Juni 1881 kam es zum Kauf. Die Geschwister Wagner gaben das Rittergut Niemberg für 630000 RM mit der vollen Ernte her. Der Pächter, Herr Weste, bekam eine Entschädigung von 150000 RM, eingeschlossen der Preis für das Inventar.
Max I. Graf von Wuthenau-Hohenthurm führte sofort Neuerungen ein, die dem etwas herunter gekommenen Rittergut wieder auf die Beine helfen sollten. Das Rittergut in Niemberg war ab dem Ende des 18. Jahrhunderts wegen recht „lüderlicher“ Lebensweise der Besitzer in die Schulden gekommen. Auch die nächsten Besitzer kamen aus den Schulden nicht heraus. Graf Max baute die Schulden ab und brachte es soweit, dass das Rittergut Niemberg ein Fideikommiß (im Deutschen Reich eine unveräußerliche Vermögensmasse) wurde, um es fest an die Familie von Wuthenau zu binden.
Eine Schnapsbrennerei ?
Den Neuerungen fiel auch die Brennerei in Niemberg zum Opfer. In den Jahren 1885 – 1886 ließ Graf Max von Wuthenau die Brennerei eingehen. Eine genaue Jahreszahl ist nicht bekannt. Der Grund war folgender :
Der damals gerade in den Dienst des Grafen Wuthenau getretene Güterdirektor Xaver Hapig war ein ausgezeichneter, junger Landwirt, der den Grafen in allen Fragen beriet und dadurch seine Vorstellungen über die Führung des Rittergutes Niemberg durchsetzte. So bestimmte er, dass auf dem Niemberger großen Rittergut fast nur Schafe gehalten werden sollten und auf dem kleinen Rittergut nur Ochsen, aber auch ein paar Kühe und Pferde. Niembergs Ställe waren sicherlich nicht ausreichend, um genügend Rinder einzustellen. Hapig wollte zentralisieren. So baute der Graf Wuthenau, auf anraten von Hapig, in Hohenthurm im Jahre 1885 große Rinderställe. Das zog natürlich die Vergrößerung der dortigen Brennerei nach sich und der Betrieb der Brennerei in Niemberg wurde überflüssig. Außerdem werden wohl die Anlagen in Niemberg schon veraltet gewesen sein. In vor den 1870er Jahren gebauten Brennereien wurden zur Destillation Druckkessel verwendet, die schon bald als veraltet galten. Der 1873 von dem schlesischen Landwirt Henze entwickelte Druckkessel, kochte die Kartoffeln bei 2-3 atü schneller und feiner zu einem Brei. Zu dem noch feineren Brei kamen die verbesserten Verfahren gegen die gefährlichen Nebengärungen.
Dem unkundigen Leser sollte hier erklärt werden, dass bei der Herstellung von Rohspiritus aus Kartoffeln in den Brennereien als Nebenprodukt die sogenannte Schlempe anfiel. Sie war ein unverzichtbares, eiweißreiches Kraftfutter für die Rinder, vor allem in den Wintermonaten. Außerdem wurden die durch Frosteinwirkung unbrauchbar gewordenen und sehr kleinen Kartoffeln verarbeitet, die sonst umkamen. Das Hauptprodukt, der Spiritus, war beim Verkauf eine willkommene Einnahme für den Landwirt. Im Jahre 1885 produzierten die Wuthenauschen Brennereien etwa 80000 Liter Rohspiritus. Der Rohspiritus hätte natürlich auch in den ländlichen Brennereien weiter veredelt werden können, doch erforderte das die Einholung des Brennrechtes und die Anschaffung von komplizierteren Anlagen und Geräten.
Wie es mit dem Gebäude der Brennerei weiter ging, ist nirgends schriftlich niedergelegt. Meine Forschungen brachten jedenfalls nichts ans Tageslicht, was man in einer Chronik nachweislich erwähnen könnte. Die Brennerei war ja auch nicht ein so herausragendes Gebäude, dass es den Niembergern lieb und teuer war und so in Schriften oder fotografisch festgehalten wurde. So bleiben mir nur die mündlichen Berichte, die die Zeitzeugen überlieferten. Der verstorbene Niemberger Bauer Albert Bähr berichtete, dass die Brennerei des Rittergutes in den 1910er Jahren als Getreidemühle und als Futtermittellager genutzt wurde. Kaum anders wird es in den folgenden Jahren gewesen sein.
Nach dem 2. Weltkrieg wurden die Grafen von Wuthenau enteignet. Somit ging das Rittergut Niemberg in Volkseigentum über. Im Zuge der Bodenreform, ab dem Jahre 1945, wurde das Rittergut an Kleinbauern, Landlose und Umsiedler aufgeteilt. Doch schon im Jahre 1952 begann in Niemberg und Eismannsdorf die Kollektivierung in der Landwirtschaft, was auch die gemeinsame Haltung von Tieren und die Nutzung der ehemaligen Ställe des Rittergutes durch die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft mit sich brachte. Meines Wissens wurde das Futtergetreide anfangs noch in den Mühlen in Niemberg (Pullert) und der umliegende Orte (Große in Hohen und Haring in Plößnitz) aufbereitet. Diese Mühlen, die zum Teil noch mit Windkraft betrieben wurden, wurden aber immer baufälliger oder die Müller gaben die Mühlen auf. Dieser Umstand machte die Wiederinbetriebnahme der Getreidemühlen in der Brennerei erforderlich. Man könnte fast sagen, die Brennerei kam zu neuer Blüte.
Keiner kann heute mehr sagen wie viel Tonnen Getreide in den Zeiten der LPG durch diese Mühlen gelaufen sind. Die Brennerei wurde zur „Futterküche“ des gesamten Tierbestandes der Genossenschaft. Aber nicht nur die LPG nutzte die Mühlen der alten Brennerei, auch die Niemberger Bürger hatten hier die Möglichkeit, ihr Getreide malen oder quetschen zu lassen. Wer etwas Getreide hatte, hielt sich mindestens ein paar Hühner, Enten oder Kaninchen. In den Haushaltungen wurden aber auch Schweine gehalten und mancher hatte auch einen Bullen zu Stalle stehen. Was wäre gewesen, wenn die Niemberger in der damaligen Zeit, nicht die Brennerei gehabt hätten? Überliefert ist, dass derjenige, der seinen Sack Getreide in der Brennerei malen ließ, mit ein paar Pfund mehr wieder nach Hause ging, denn der Mühlenbediener füllte nach dem Malvorgang den Sack mit der Schaufel und wenn die gebrachte Getreidemenge im Sack war, nahm er noch eine Schaufelspitze Getreide auf und warf es mit den Worten in den Sack : “ Unn noch e bischen for de kranke Hinne.“ Sicherlich war das der LPG nicht zuträglich, doch jeder der so bedacht wurde, ging schmunzelt wieder nach Hause.
…auch Wasser
Wichtig ist noch zu erwähnen, dass die Brennerei einen sehr gut funktionierenden, tiefen Brunnen hatte und noch hat. Als Brunnen für die Brennerei war er sicherlich wichtig und unentbehrlich. Er diente aber auch zur Wasserversorgung des Gutshauses, einiger umliegenden Grundstücke und der Rittergutsställe. Besonders gebraucht wurde der Brunnen, als in Niemberg die erste zentrale Wasserleitung in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre gebaut wurde und der Anschluss an die Fernleitung noch nicht realisierbar war. Das Wasser hatte Trinkwasserqualität und wurde von den Niembergern auch für die Babynahrung verwendet. Mit der Wende und der Schließung der LPG, wurde auch das Licht in der Brennerei das letzte Mal gelöscht. Die Getreidemühlen wurden nicht mehr gebraucht. Die neuen Bauern, die aus den westlichen Bundesländern zu uns kamen, hatten kein Interesse an der Viehhaltung. Sie wollten nur den Acker und den guten Boden und nicht die alten und heruntergekommenen Gebäude. Verständlich, aber was sollte aus den Ställen, Scheunen und den anderen Gebäuden werden? In vielen Fällen können wir Niemberger darüber glücklich sein, dass es immer wieder Leute gab und gibt, die sich der alten Gemäuer annehmen und sie erhalten.
Möge es uns gelingen auch der alten Brennerei in Niemberg zu neuen Glanz zu verhelfen.
Niemberg im September 2003
Herbert Kleinau
Quellennachweis:
„Die Familien der Herren von Wuthenau und der Grafen von Wuthenau-Hohenthurm“ von Carl Adam von Wuthenau-Hohenthurm 1969
„Wanderungen durch den Saalkreis“ Band IV 1921 von Dr. Baron von Schultze-Galléra
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Herbert Kleinau